Wie kann man in einer langjährigen Beziehung das Feuer wieder neu anfachen? (Teil 1))

Sexualität, Sexualtherapie

Liebe und Lust scheinen bei vielen Paare nicht unbedingt zusammen zuhängen. In meine Praxis für Paar- und Sexualtherapie kommen regelmäßig Klienten, die von sich sagen, dass sie eine harmonische und gut funktionierende Beziehung haben und sich lieben – aber sich sexuell nicht mehr gegenseitig angezogen fühlen. Teilweise haben sie bereits seit Jahren gar keinen Sex mehr.

Die Sexualität ist also nicht immer ein Indikator für die Qualität einer Beziehung,

denn es gibt sowohl sehr schwierige Beziehungen mit viel Leidenschaft als auch harmonische Partnerschaften ohne Sex. Das erscheint erst einmal merkwürdig, da wir doch so aufgeklärt und sexuell befreit sind wie nie zuvor. Jetzt, wo wir so viel Sex (und auf so unterschiedliche Spielarten) haben können, wie wir wollen, klagen immer mehr Menschen über Lustlosigkeit!

Möchten wir vielleicht zu viel?

Viele wünschen sich in ihrer Beziehung Verlässlichkeit, Treue und Sicherheit – geben aber auch das Bedürfnis nach Abenteuer und neuen Reizen (insgeheim) nie so ganz auf. Während man für Liebe Nähe und Intimität braucht, kann das offenbar der erotischen Anziehung im Weg stehen! Das Begehren braucht nämlich einen gewissen Abstand, vielleicht auch eine gewisse Unsicherheit, was den geliebten Partner angeht. Ich würde sogar noch weiter gehen: Leidenschaft geht oft einher mit Gefühlen, die wir ein einer langjährigen Partnerschaft auf Augenhöhe vielleicht gar nicht haben möchten wie z.B. Aggression, das Bedürfnis nach Unterwerfung bzw. Machtausübung, Abhängigkeit, Rache oder Eifersucht.

Da ich sowohl Paar- als auch Sexualtherapeutin bin, sehe ich in meinen Paartherapien häufig, dass eine Verbesserung der Beziehung (z.B. durch eine Veränderung der Kommunikation oder durch mehr gegenseitiges Verständnis und Unterstützung) nicht zwangsläufig auch wieder zu mehr Sex führt – obwohl beide Partner durchaus zufriedener mit ihrer Beziehung sind. Die Realisten unter uns sagen jetzt vielleicht, dass es eben so ist, dass man in einer langen Partnerschaft kaum oder gar keine Lust mehr aufeinander hat. Andere wollen sich damit nicht so einfach zufrieden geben und beenden vielleicht ihre Beziehung mit einem Argument, das ich oft höre: „Ich bin noch zu jung, um auf Sex zu verzichten!“ (Das sagen Klienten über 50 oder auch 60 Jahre – man weiß ja heute, dass eine lebendige Sexualität auch noch bis ins hohe Alter möglich ist. Für die früheren Generationen war es hingegen oft o.k., sich damit abzufinden, wenn im Bett nichts mehr lief). Viele wünschen sich heute eine persönliche Entwicklung und emotionale Erfüllung in ihrer Paarbeziehung UND eine sexuelle Befriedigung. 

Klar ist: Langjährige Beziehungen unterliegen Veränderungen – es gibt Phasen von Wachstum und Ruhe, Beständigkeit und Wechsel, Nähe und Distanz – und auch die Erotik bleibt davon nicht unberührt.

Nun leben wir in einer Welt, in der es immer weniger Zusammenhalt gibt: Die Großfamilie ist aufgelöst, wir gehören immer weniger aktiv einer Dorfgemeinschaft, einer Kirche oder einem Verein an. Das gibt uns neue Freiheiten, aber es macht uns auch ein Stück einsamer. Deswegen erwarten wir von unserer Partnerschaft auch sehr viel: eine einzige Person soll uns den Halt geben, der früher durch eine ganzes soziales Netz erfolgte, und er/sie soll uns zudem sexuell befriedigen und bestätigen. (Übrigens waren früher die Paare, die ihr ganzes Leben zusammen blieben, ja auch wesentlich kürzer zusammen als heute, da die Lebenserwartung so gestiegen ist.)

Wie verläuft heute eine Liebesbeziehung?

Wenn sich ein Paar kennen lernt (und es geschieht mittlerweile regelmäßig über die entsprechenden Seiten im Internet), so ist man zunächst verliebt und kann gar nicht genug von einander bekommen. Es ist wie ein Rausch. Mit der Zeit (meistens zwischen 6- 12 Monaten) entwickelt das Paar dann eigene Rituale, um die Beziehung abzusichern. Jede(r) gibt ein wenig Freiheit zugunsten der Stabilität und gemeinsamen Verbundenheit auf. Vor allem ängstliche Menschen fühlen sich  besser, wenn sie den Partner unter Kontrolle haben und möchten die (natürliche) Distanz zwischen sich und dem anderen immer mehr verringern. Es kommt zu Gewohnheiten und Routinen des Paares, die allerdings der Lust und Leidenschaft nicht unbedingt gut tun. Für Vorfreude oder Sehnsucht gibt es immer weniger Gelegenheiten, weil man häufig fast alles miteinander teilt.

So glauben wir allmählich, den anderen sehr gut zu kennen – aber häufig suchen wir eine Bestätigung von dem Bild des anderen, das wir uns von ihm gemacht haben (und das wir vielleicht auch so sehen WOLLEN). Wie oft erlebe ich in meinen Paartherapien, dass der eine für den anderen antworten will oder dass gesagt wird: „Ich weiß schon, was jetzt wieder kommt…“ Es scheint so, als habe man alles schon gehört, alles schon miteinander erlebt, alle Geschichten und Geheimnisse aus der Vergangenheit geteilt….

Gleichzeitig klammern wir vielleicht auch Teile unserer eigenen Persönlichkeit aus, von denen wir glauben/fürchten, dass sie die Beziehung destabilisieren könnten. Das bedeutet, dass wir das zwar aus einem guten Grund tun, weil wir unsere Beziehung sichern wollen, aber am Ende entsteht manchmal genau das Gegenteil davon: wir gleichen uns immer mehr an, geben vielleicht Hobbys, Gewohnheiten oder sogar Freundschaften „für den anderen“ auf und verlieren nach und nach unser Profil. Und zwar genau das Profil, das den anderen anfangs so angezogen hat. Und was ist das Ergebnis? Beide (oder ein) Partner langweilen sich miteinander, fühlen sich eingeengt, sind genervt voneinander, haben vielleicht das Gefühl: „Und das soll´s jetzt gewesen sein?“ Der Sex wird selten oder sogar ganz eingestellt– er scheint nicht mehr „der Anstrengung wert“.

Das Paar gerät in eine Krise

– manchmal, weil einer eine Außenbeziehung eingeht, oder auch nur, weil man das Gefühl hat, sich nichts mehr zu sagen zu haben. Man kann eben auf Dauer keinen Menschen begehren, der seine Autonomie aufgegeben hat!

Es ist viel über die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen geschrieben worden, die nicht zuletzt damit zu tun hat, dass Mädchen noch immer anders erzogen werden als Jungen ( wenn sich auch die traditionelle Rollen in unserer westlichen Gesellschaft in den letzten Jahren schon sehr verändert haben). Da unsere Paarbeziehungen nicht mehr per se „für immer“ sind, legen wir sehr viel Wert auf Vertrauen, gegenseitige Unterstützung und Intimität (sowohl körperlich als auch emotional), insbesondere, weil wir (wie oben ausgeführt) immer individueller und damit auch einsamer leben. Dadurch bekommt der gegenseitige Austausch durch Gespräche eine immer größere Bedeutung, weil wir vielleicht viele Bekannte oder „Facebookfreunde“ haben, uns dabei aber häufig die Nähe oder Ehrlichkeit fehlt. Wir befinden uns im Zeitalter der Kommunikation! Der eine Partner teilt seine Empfindungen, Ängste und Sorgen mit – der andere soll ein „guter Zuhörer“ sein, indem er Interesse zeigt und den Partner/ die Partnerin immer wieder bestätigt.

Die Emanzipation der Frauen hat dazu geführt, dass sie sehr die Werte der modernen Paarbeziehungen beeinflusst haben. Sie  sind durch ihre Erziehung in der Regel mehr darauf trainiert, emotionale Angelegenheiten zu verbalisieren. Männer hingegen sollen Leistung zeigen, mutig und entschlossen sein; für diese von ihnen verlangten Eigenschaften ist es nicht wichtig, dass sie ihre Gefühle ausdrücken können bzw. manchmal sollen sie sie sogar hinterm Berg halten. Sie lernen früh, sich zu kontrollieren und sich nicht verletzlich zu zeigen.

Männer und Frauen sprechen unterschiedliche Sprachen:

Nun erwarten Frauen häufig, dass zunächst erst einmal eine emotionale Nähe durch Gespräche hergestellt wird, bevor man Sex miteinander hat. Sie fühlen sich schnell zum Objekt degradiert, wenn ihr Partner „einfach so“ Sex haben will. Sie verstehen dabei vielleicht nicht, dass es für einen Mann durchaus auch ein Ausdruck seiner Liebe oder ein Wunsch nach Nähe und Zugehörigkeit sein kann, wenn er mit seiner Partnerin schlafen möchte.

In den Paargesprächen mit meinen Klienten habe ich regelmäßig den Eindruck, dass die Frauen sagen: „Ich brauche erst das Gefühl, dass du mich verstehst und mich wertschätzt, BEVOR ich mit dir schlafen kann/ möchte.“ Und die Männer kontern: „Ich würde dich ja gerne wertschätzen und könnte dich dann auch besser verstehen, WENN du mit schlafen würdest“.

Liebe Frauen, ich finde, dass sich folgender Gedanke wirklich lohnt, um darüber nachzudenken, auch wenn wir vielleicht zunächst protestieren möchten. Ich möchte hier noch andere Beispiele anführen, wo die Beziehungspflege der Männer von den Frauen manchmal zu wenig gewertschätzt wird. Wir Frauen erleben Nähe über gute Gespräche und freuen uns, wenn der Partner sich öffnet, oder er in der Kommunikation auf uns eingeht. Das ist – übertrieben ausgedrückt- unsere „Währung“, weil wir uns hier gut auskennen, und wir es so gewöhnt sind. Aber nehmen wir auch die ganz anderen Liebesbeweise wahr? Je länger ich Paartherapien anbiete, umso mehr bekomme ich einen Eindruck davon, wie Männer das sehen. So beschwert sich vielleicht die Frau darüber, dass ihr Mann zu wenige mit ihr spricht, und sie sieht nicht, dass er wieder ihre Winterreifen gewechselt, das PC- Problem behoben, die Steuererklärung alleine vorbereitet oder ihr die Wegbeschreibung zu ihrer nächsten Dienstreise ungefragt ausgedruckt hat. Oder dass er ohne zu Murren mit zu ihrer Familie gefahren ist, wo er stundenlang mit am Tisch saß, obwohl er sich in seiner Freizeit etwas ganz anderes vorstellen könnte. Nach meinem Eindruck schweigen Männer nicht, weil sie keinen Austausch mit ihrer Partnerin möchten oder brauchen, sondern weil sie sich in emotionalen Angelegenheiten unterlegen fühlen und Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Und wie oft höre ich in meiner Praxis von Frauen, die immer wieder bestimmte Situationen beschreiben, wo ihr Partner etwas ungeschickt ausgedrückt hat oder mit dem falschen Ton („Es war ja nicht, WAS du gesagt hast, sondern Wie!“) oder zum falschen Zeitpunkt („Warum hast Du das nicht früher gesagt?“)

Die Intimität soll also über Gespräche entstehendie Sprache der Körper wird dabei herabgesetzt.

Das führt nicht nur dazu, dass körperliche Annäherungsversuche des Mannes abgewehrt werden, weil es „die falsche Situation“, in der „falschen Stimmung“ oder durch die „falsche Art“ passiert (was es natürlich alles geben kann!), sondern dass manche Frauen, die sich  mit ihrer eigenen Sinnlichkeit schwer tun, weil sie sich z.B. mit ihrem Körper nicht wohl fühlen, schnell in die Welt der Sprache flüchten. Eine Kommunikation der Körper kann dann kaum stattfinden.

Weiter geht´s im 2. Teil meines Artikels!: https//wp.me/pazUHD-kC

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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