Jede(r) erinnert sich sicher gern an die letzte intensive Zeit, als er/sie verliebt war und sich das Leben so berauschend und einfach anfühlte. Oder- wie der Volksmund sagt – wir auf rosa Wolken schwebten. In der Verliebtheit erleben wir eine Wiederholung von Gefühlen, die wir als Kind bei unseren Eltern hatten: wir öffnen uns komplett und erleben intensive und schöne Gefühle von Nähe und Vertrauen.
Da wir als Kind viele Abwehr – und Schutzmechanismen (noch) nicht haben, ist das Vertrauen in die nahen Bezugspersonen am Anfang nahezu uneingeschränkt. Fachleute können/müssen immer wieder beobachten, wie Kleinkinder jedes Mal aufs Neue zu ihren Eltern wollen, auch dann, wenn sie von ihnen schlecht behandelt und sogar geschlagen werden. Das Gefühl des bedingungslosen Vertrauens wird bei Verliebtheit reaktiviert, auch wenn man sich als Erwachsener wahrscheinlich vornimmt, dass man zunächst vorsichtig sein will. Ich habe schon häufig bei meinen Klienten gesehen, dass Menschen, die sich erst wenige Wochen kannten, zusammen gezogen sind oder innerhalb von wenigen Monaten geheiratet haben, weil sie sich „diesmal ganz sicher waren“.

Was passiert bei einer Kränkung durch den Partner? Das verletzte Kind in uns:

Werden wir dann ge- oder ent-täuscht, kommt es zu einer erheblichen Kränkung. Niemand kann uns so treffen, wie der geliebte Mensch! Nun werden wir auch an die schlimmen Gefühle aus unserer Kindheit erinnert wie z.B. Gefühle von Einsamkeit, dem Gefühl, nicht verstanden zu werden, der Angst vor Abhängigkeit oder der Angst, verlassen zu werden. Das verletzte innere Kind in uns wird (oft unbewusst) angesprochen, die eigenen Schutzmechanismen werden hochgefahren nach dem Motto: „Ich werde mich nie mehr so verletzen lassen wie damals!“ Manchmal sind diese negativen Gefühle von Angst, Scham und Wut so überwältigend, dass wir am liebsten davon laufen, und es zu einer Trennung kommt.

Paare, die hingegen versuchen, gemeinsam Verletzungen und Kränkungen zu überwinden, entscheiden sich für eine (nicht immer einfache) seelische Entwicklungsarbeit, die jedoch am Ende zu einem inneren Frieden und der Heilung von alten Wunden führen kann. Meist geht es dabei um die eigenen Lebensthemen, also um Themen, die uns immer wieder einholen – und damit wahrscheinlich auch in der nächsten Beziehung wieder auftauchen.

Als Paartherapeutin weiß ich:

In der Regel haben die Paare, die zu mir kommen, schon eine längere Zeit mit Streit und gegenseitiger Abwertung und Kränkungen hinter sich, so dass es ihnen immer schwerer fällt, Mitgefühl und Verständnis für den anderen zu haben oder zu entwickeln. Individuell reagieren wir auf diesen Prozess unterschiedlich: manche mit innerem Rückzug, Resignation und Schweigen, andere mit Vorwürfen, Aggressionen und Angriffen.

Schnell kommt man in der Paartherapie zu dem Punkt, wo für beide klar wird: „Wenn wir uns lieben und zusammen bleiben möchten – warum verletzen wir uns dann ständig gegenseitig?“ Denn das Paradoxe ist doch, dass jedes Paar eine ganz andere Idee hatte, als es zusammen kam: man hat sich geschworen, füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen.

Paare, die eine Paartherapie machen, investieren Zeit, Energie und Geld in ihre Beziehung. Es geht dabei darum, die Anteile von beiden Partnern heraus zu finden, denn wir alle neigen dazu, die Fehler des anderen sehr klar zu sehen und bei uns selber „blinde Flecken“ zu haben. Der Paartherapeut/die Paartherapeutin kann helfen, die eigenen Gefühle einzuordnen und zu benennen, weil z.B. Angst oder Scham verhindert, dass das Paar alleine konstruktiv darüber sprechen kann.

Wenn manchmal in der Paartherapie ein Stück Einzelarbeit mit einem der Partner stattfindet, versteht der andere dessen Kränkungsmuster, Schwächen und Ängste besser (ich spreche in dem Zusammenhang immer von der „dünnen Haut“, die wir haben – und die bei jedem an einer anderen Stelle sitzt). Der Partner kann erkennen, dass Vieles, was er schwierig findet, nicht gegen die eigene Person gerichtet ist. So kann er/sie wieder mehr Verständnis für den anderen entwickeln und sich besser in ihn/in sie hineinversetzen.

Durch das Verändern und Einüben von neuen Kommunikationsformen (wie z.B. das aktive Zuhören oder der Paardialog), wird der Teufelskreis der Streit- und Vorwurfseskalationen verlassen. Dieser Teufelskreis läuft oft wie folgt ab:

Der eine nimmt zwar seine Verletzungen wahr, aber häufig nicht die ursprünglich damit verbundenen Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Scham usw., weil er sich dadurch „schwach und klein“ fühlen würde. Stattdessen reagiert er mit Angriff oder Rückzug (körperlich und/oder seelisch), um sich vor weiteren Verletzungen zu schützen. Die eigene Unsicherheit und Sehnsucht wird hinter dieser Schutzmauer verborgen und ist für den Partner nicht zu spüren. Dieser wehrt sich seinerseits gegen die Vorwürfe und Schuldzuschreibungen, die ihm vermutlich übertrieben vorkommen und schon kämpfen beide darum, wer Recht hat und „die Dinge wirklich richtig sieht“.

Wann macht denn eine Paartherapie überhaupt Sinn?

Eine Paartherapie kann helfen, wenn

  • Sie und Ihr Partner nicht mehr ohne zu streiten miteinander reden können
  • oder Sie sich kaum noch etwas zu sagen haben.
  • Sie darunter leiden, dass es kaum noch Gemeinsamkeiten oder gemeinsame Aktivitäten als Paar oder als Familie gibt.
  • Sie Ihren Partner immer weniger akzeptieren können, so wie er/sie ist (z.B. weil Sie schon davon genervt sind, wie er/sie sich die Nase putzt, am Tisch sitzt, sich ausdrückt usw.)
  • Sie immer öfter das Gefühl haben, dass Sie für die Beziehung mehr geben als Sie bekommen.
  • Sie immer mehr über die Zukunftspläne streiten (z.B. Kinder ja – oder nein, Wohnortwechsel).
  • Es oft Streit gibt, ohne dass Sie hinterher den Anlass nennen könnten bzw. dass er aus einer Nichtigkeit entstanden ist.
  • nur noch selten oder eine unbefriedigende Sexualität stattfindet
  • es eine außereheliche Beziehung gibt/gegeben hat
  • Sie regelmäßig Streit wegen Ihrer Herkunftsfamilie oder Ihren Freunden bekommen
  • Ihr Partner/ Ihre Partnerin ein Suchtproblem hat/hatte, was die Beziehung massiv belastet
  • Ihr Partner Ihnen oder den Kinder gegenüber aggressiv oder sogar gewalttätig wird.
  • Sie schon lange versucht haben, Ihre Paarprobleme alleine zu lösen, Sie aber nicht weiter gekommen sind und Sie immer wieder wegen derselben Sachen in Streit geraten.
  • Sie wegen Ihrer Beziehungsprobleme unglücklich sind oder sogar schon psychosomatische Symptome entwickeln (wie z.B. depressive Phasen, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Schlafstörungen, Essstörungen etc.).
  • Ihre Beziehung durch eine schwere Erkrankung oder eine Behinderung eines Familienmitgliedes übermäßig belastet ist.
  • Sie schon länger an Trennung denken, aber nichts unversucht lassen wollen, um die Ehe/die Familie noch zu retten

Natürlich ist es am besten, wenn Sie Ihren Partner/Ihre Partnerin dazu bewegen können, gemeinsam zu einem Paargespräch zu gehen. Wenn das nicht möglich ist, können Sie zunächst auch einen Einzeltermin ausmachen, um sich Klarheit über Ihr Problem zu verschaffen und gemeinsam mit dem Paartherapeuten/ der Paartherapeutin zu überlegen, wie Sie Ihren Partner zu einer Paarberatung motivieren können. Häufig wird dann der Paartherapeut zunächst auch mit Ihrem Partner ein Einzelgespräch führen, um dessen Meinung zu hören und um das Gleichgewicht wieder herzustellen (damit der andere nicht das Gefühl hat, dass der Therapeut schon eine festgelegte oder einseitige Meinung zum Problem hat).

Wenn Sie sich für einen Paartherapeuten entschieden haben, vereinbaren Sie ein Erstgespräch. In der Regel verpflichten Sie sich dadurch zu keinen weiteren Terminen, da beide Seiten sich kennen lernen müssen, um zu entscheiden, ob sie miteinander arbeiten möchten/können. Nach dem Erstgespräch sollten Sie mit Ihrem Partner folgendes überlegen:

  • Haben wir uns beide wohl gefühlt? Haben wir uns beide verstanden gefühlt mit unserem Anliegen? (oder einfacher ausgedrückt: Haben wir beide Lust, noch einmal hinzugehen?)
  • Hat der Therapeut/die Therapeutin einen kompetenten Eindruck gemacht? Hatte er/sie eine Idee, einen „Plan“, wie er/sie uns helfen kann?
  • Haben wir durch die Fragestellungen schon neue Denkanstöße bekommen? Haben wir schon etwas verstanden, was uns vorher nicht klar war?
  • Hat uns das Gespräch Hoffnung gemacht/vermittelt, dass es einen Ausweg aus unserem Dilemma geben kann?
  • Hatten wir das Gefühl, dass genügend Zeit und Raum für eigene Gedanken da war – oder gab es vorschnelle Ratschläge?
  • Gibt es nachvollziehbare Regelungen über Honorar, Häufigkeit der Sitzungen, Terminabsage etc.
  • Hat der Therapeut/die Therapeutin die Sitzung strukturiert und geleitet? Oder hat er/sie es einfach laufen lassen, so dass wir uns ähnlich gestritten haben, wie wir es auch zu Hause auch oft tun?

Haben wir denn überhaupt noch eine Chance?

Vorweg gesagt- am Ende einer Paartherapie kann natürlich auch eine Trennung stehen!
Nämlich dann, wenn einer oder beide der Partner zu der Meinung kommen, dass die Distanz zwischen ihnen zu groß oder die Verletzungen zu viel geworden sind. Durch die Paartherapien werden ja Probleme noch einmal sichtbarer gemacht und vielleicht auch Tabus aufgebrochen.
In diesem Sinne gibt es sicher ein „zu viel“ oder „zu spät“. Ich finde es immer schade, wenn die Paare zu spät in die Therapie kommen. Bei so manchem Paar habe ich mich gefragt, ob man eine Trennung nicht hätte vermeiden können, wenn es ein oder zwei Jahre früher Hilfe gesucht hätte!

Paartherapie kann aber auf jeden Fall dabei helfen, genau diese Fragen zu beantworten. Und wenn
ein Paar sich dann zu einer Trennung entschließt, so passiert das nach meiner Erfahrung mit mehr Verständnis und Respekt für das, was schief gelaufen ist, aber auch Dankbarkeit für das, was gut war. Und das ist besonders dann wichtig, wenn es gemeinsame Kinder gibt! 

In den meisten Fällen aber gelingt es, einen neuen, gemeinsamen Weg zu finden, so dass die
Beziehung (wieder) mehr Tiefe und Verbundenheit bekommt und beide zufriedener und vielleicht
auch wieder glücklicher werden.

 

 

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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