Nichts ist schwieriger, als die Entscheidung, ob man sich trennen oder der Beziehung noch eine Chance geben soll – vor allem dann nicht, wenn man Kinder hat und weiß, dass man das nicht nur für sich alleine entscheidet. Die Klienten, denen ich in meiner Praxis für Paar- und Sexualtherapie begegne, fragen sich häufig: „Hat es noch Sinn mit uns? Und was tue ich den Kindern/dem Kind an, wenn ich die Familie auseinander reiße? Habe ich das Recht dazu, meine eigenen Bedürfnisse über die der Kinder zu stellen?“. Das sind Fragen, die einen buchstäblich zerreißen können!
Bevor ich in meinem nächsten Blog) auf die Kinder zu sprechen kommehttps://paar-fit.de/trennung-wie-sagen-wir-es-den-kindern/ , möchte ich Ihnen zunächst eine Liste der Bedürfnisse aufzeigen, die in einer Paarbeziehung erfüllt werden (sollten), damit Sie für sich beantworten können, was davon auf Ihre Partnerschaft (noch) zutrifft:

Elementare Bedürfnisse in einer Partnerschaft sind:

  • das Bedürfnis nach Verbundenheit und Nähe
  • das Bedürfnis nach Geborgenheit und einer Schulter, an die man sich gelegentlich anlehnen kann
  • der Wunsch nach Zuwendung und Wärme
  • der Wunsch nach emotionaler Sicherheit, Treue und Verlässlichkeit
  • das Bedürfnis nach Fürsorge, Trost und Pflege (bei Krankheit)
  • der Wunsch nach Wertschätzung, Anerkennung und Akzeptanz
  • der Wunsch danach, geliebt zu werden
  • der Wunsch danach, für jemanden wichtig zu sein
  • das Bedürfnis zu geben und zu bekommen
  • das Bedürfnis nach Körperkontakt und Zärtlichkeit
  • das Bedürfnis nach Sexualität
  • das Bedürfnis nach Hilfe und Unterstützung
  • das Bedürfnis nach Loyalität
  • der Wunsch nach Verständnis und verstanden werden
  • der Wunsch nach Aufmerksamkeit vom anderen
  • der Wunsch nach gegenseitiger Offenheit und Ehrlichkeit
  • das Bedürfnis, versorgt zu sein/ materielle Sicherheit zu haben
  • der Wunsch nach Toleranz für die eigenen Schwächen
  • der Wunsch nach gelegentlicher Führung/ Orientierung
  • das Bedürfnis nach einer gewissen Bewegungsfreiheit innerhalb der Beziehung
  • das Bedürfnis nach gerechter Aufgabenverteilung und gerechter Verantwortungsübernahme
  • das Bedürfnis nach gemeinsam verbrachter Zeit
  • das Bedürfnis nach Kindern und Familie
  • der Wunsch, gebunden zu sein UND sich trotzdem in seiner Persönlichkeit entfalten zu können
  • das Bedürfnis nach tiefergehenden Gesprächen/ Austausch
  • das Bedürfnis nach Anregungen/Impulsen/Weiterentwicklung
  • der Wunsch nach gemeinsamen Zielen/ einer gemeinsamen Lebensplanung

Sicher ist diese Liste nicht vollständig und vermutlich wird es auch kaum einen Partner geben, der alle Bedürfnisse eines Menschen abdecken kann – aber wenn Sie sich gerade innerlich öfter sagen mussten, dass Ihnen in Ihrer Partnerschaft einiges fehlt, dann werden Sie vermutlich schon mehrfach oder länger über eine Trennung nachdenken.

Wie entstehen Probleme in einer Partnerschaft?

Selten verändern sich zwei Menschen gleichzeitig, auch nicht, wenn sie lange zusammen sind. Als Paartherapeutin weiß ich, dass immer die Übergängen zu einer neuen Lebensphase kritisch werden können (z.B. Heirat/ Geburt/ Schuleintritt des Kindes/ Wiederaufnahme der Berufstätigkeit der Frau nach der Kinderphase/Tod der Eltern/ Krankheiten/ Ablösung der Kinder, Rentenbeginn etc.). Meist wird einer durch ein inneres oder äußeres Ereignis herausgefordert und entwickelt vielleicht sogar Symptome (Schlafstörungen, Lustlosigkeit, Depression, Essstörung, Sucht etc.). Das sind auch Zeiten, in denen man anfällig dafür wird, sich in jemand anderen zu verlieben. Wenn der andere nun aus Verlustangst starr an dem Alten festhalten will, entsteht oft eine schwierige Polarisierung in der Beziehung (z.B. dass einer um Veränderung kämpft und der andere möchte, dass es wieder so wird wie früher).

Wichtig ist die Frage, mit wem Sie über Ihre Pläne, Ängste und Sorgen sprechen können, mit wem Sie das reflektieren können! Viele Menschen scheuen diese Gespräche mit einem Freund, um denjenigen nicht zum „Geheimnisträger“ zu machen, weil er dann eventuell früher etwas davon erfährt, als der eigene Ehepartner. Auch die eigenen Eltern oder Geschwister sind nicht immer die besten Ratgeber, weil sie sich vielleicht (zu?) sehr auf die Seite der Kinder begeben und/oder das Thema moralisch beurteilen („Wie kannst Du das Deinen Kindern antun?“).

Dafür muss man wissen:

Trennung und Scheidung sind Themen, bei denen niemand neutral bleiben kann, weil sie sehr viel davon bestimmt werden, was ein Mensch selber erlebt und erlitten hat.
Beispiel: Hat Ihre Mutter lange eine unglückliche Ehe ausgehalten, weil das zu ihrer Zeit von der Umgebung so erwartet wurde, dann wird sie Sie vermutlich nicht zu einer Trennung ermutigen („Die Ehe besteht nicht nur aus guten Zeiten- Du musst einfach die Zähne zusammen beißen“). Hingegen wenn Sie und Ihre Geschwister unter den ständigen Konflikten der Eltern gelitten haben, wird Ihre Schwester Ihnen vielleicht eher zur Trennung raten.

Nicht selten gibt es auch das Phänomen der Projektion: das bedeutet, dass ein Mensch bei seinem Gegenüber etwas bekämpft, was er in sich selber spürt, aber nicht wahrhaben will/kann. Wenn sich z.B. der andere etwas traut, was man sich selber verboten hat, könnte man auf eine Trennungsidee sehr abweisend reagieren, da man es selber in einer ähnlich unglücklichen Situation nicht geschafft hat.

Insbesondere die Menschen, die bereits eine Außenbeziehung haben, können in der Regel vor einer Trennung mit niemanden darüber sprechen, aus Angst davor, dass „die Bombe platzt“ und sie als der moralisch Schlechtere da stehen. Meistens sprechen sie natürlich sehr viel mit dem neuen Partner über das Thema Trennung, aber der ist dabei alles andere als neutral und neigt vielleicht aus einem Verliebtheitsgefühl oder eigenen Interessen dazu, den anderen in seiner Meinung zu bestätigen.

Ich erwähne diese Beispiele deswegen, weil es bei so einer existenziellen Frage sehr wichtig sein kann, mit einem wohlwollenden und neutralen Menschen darüber sprechen zu können. Und Freunde möchte man nicht unbedingt in einen Loyalitätskonflikt bringen.

Deswegen kann es durchaus sinnvoll sein, wenn Sie sich einen professionellen Gesprächspartner suchen wie z.B. einen Psychotherapeuten oder einen Paartherapeuten (die ja meist auch Einzelgespräche anbieten). In den Erziehungsberatungsstellen kann man auch mit Fachkräften schon vor einer möglichen Trennung darüber sprechen, was auf Sie und die Kinder zu kommt und wie die rechtliche Lage ist. Das sollten Sie auf alle Fälle tun, wenn Sie befürchten, dass Ihr Partner/Ihre Partnerin extrem reagieren könnte, z.B. aufgrund einer psychischen Erkrankung, einer Persönlichkeitsstörung oder einer Suchterkrankung und Sie Angst vor Suizidandrohungen/ Suizidversuchen, Gewalt oder Stalking haben!

Falls Sie oder Ihr Partner eine Außenbeziehung hatten (oder haben), stellt sich häufig die Frage, ob eine Paartherapie die Beziehung noch retten kann.
Mit dem Fremdgehen eines Partners kommt es zu enormen Verletzungen und Kränkungen des anderen und zu einem Verlust des Vertrauens. In der Partnerschaft entsteht ein massives Ungleichgewicht, weil der Betrogenen sich vielleicht genau das schon lange von seinem Partner gewünscht hat (z.B. Aufmerksamkeit, Komplimente, Leidenschaft, gemeinsame Unternehmungen etc.), was jetzt eine andere Person bekommt. Das ist schwer zu verkraften.

Hat das noch Sinn mit uns?

Die Frage danach, ob eine Paartherapie noch Sinn hat, höre ich als Paartherapeutin regelmäßig – häufig wird sie vom Betrogenen bereits in der ersten Kontaktaufnahme zur mir gestellt. Diese Frage kann man nur individuell beantworten, denn sie hängt sehr entscheidend von den Problemen und der Geschichte des Paares ab sowie von der Motivation von beiden. Es ist nicht leicht zu akzeptieren, dass es zwei Menschen braucht, um eine Beziehung zu beginnen, aber einer alleine kann die Entscheidung treffen, sie zu beenden.

Ob die durch eine Außenbeziehung entstandene Krise noch gemeinsam zu bewältigen ist, hängt von folgenden Kriterien ab:

  1. Gibt derjenige mit der Außenbeziehung seiner ursprünglichen Beziehung noch eine echte Chance? Kann und will er sich auf eine Paartherapie wirklich einlassen? (Manchmal kommt einer nur noch „mit“ zur Paartherapie, obwohl er innerlich bereits gekündigt hat. Das macht er vielleicht, um nicht alleine die Entscheidung zur Trennung treffen zu müssen oder weil er glaubt, das dem anderen schuldig zu sein). Die Therapie bekommt dann aber eine Alibifunktion und der Partner strampelt sich vergeblich ab, was am Ende seine Verzweiflung nur verlängert.
  2. der betrogenen Partner muss bereit sein, sich mit den eigenen Anteilen und Versäumnissen in der Beziehung auseinander zu setzen. Dazu ist es nötig, bald von der moralisch überlegenen Position wegzukommen, um dem anderen nicht ständig Schuldgefühle zu machen. (Übrigens erwartet der betrogene Partner in der Regel den Beistand des Paartherapeuten, der ihm recht darin geben soll, wie schlecht der andere sich verhalten hat. Das wird aber nicht passieren, denn dieser muss Verständnis für beide Partner aufbringen, weil ansonsten der andere sich gar nicht auf die Therapie einlassen würde.)
  3. der mit der Außenbeziehung muss bereit sein, den Kontakt zur ihr aufzugeben oder so einzuschränken, dass es für den anderen nicht unerträglich ist (dies wird man in der Paartherapie besprechen und vereinbaren. Es ist immer ein ganz schwieriges Thema, wenn sich die beiden z.B. täglich am Arbeitsplatz sehen)
  4. Beide müssen bereit sein, sich den Themen zuzuwenden, die durch die Außenbeziehung (noch) deutlicher geworden sind mit der Frage: „So- wie bisher- kann es nicht weitergehen! Wie könnte unsere Beziehung (wieder oder noch mal) besser werden, so dass wir beide zufriedener sind? Zu welcher persönlichen und partnerschaftlichen Entwicklung fordert uns diese Krise heraus?“
    In diesem Sinne kann eine Paartherapie helfen, die Situation besser zu verstehen, sie bestenfalls gemeinsam zu bewältigen und daran zu wachsen, wobei am Ende für einen oder beide natürlich auch die Erkenntnis stehen kann, dass die Beziehung nicht mehr zu retten ist.
Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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