Mein Penis und Ich oder: Die Behandlung von Erektionsstörungen in der Sexualtherapie

männliche Sexualität, Sexualität

Wenn ein Mann mit einem sexuellen Problem in die Sexualtherapie kommt, werden ihm vermutlich andere Fragen gestellt, als er es erwartet. Der / Die (Sexual-) Therapeut / Therapeutin interessiert sich nicht (nur) für „sein Thema“ (also z.B. „Wie lange können Sie die Erektion halten? Wie oft haben Sie Sex?“ etc.), sondern genauso für seine Zufriedenheit in der Partnerschaft und für seine Einstellung zu seiner Männlichkeit und sein Verhältnis zu seinem Penis.

Als Sexualtherapeutin weiß ich:
Das Erstgespräch in der Sexualtherapie ist gar nicht einfach, weil man über sehr intime Themen spricht, über die Mann meistens noch nie gesprochen hat und für die er sich teilweise auch schämt. Auf der einen Seite ist er vielleicht erleichtert, dass er das Problem endlich einmal mit einer neutralen Person ansprechen kann; auf der anderen Seite verursacht es natürlich auch Stress.
(Das ist übrigens ganz normal! In der Regel können Sie darauf bauen, dass die Therapeutin Erfahrung im Umgang mit dieser Situation hat und Ihnen mit gezielten Fragen helfen wird. Ganz oft höre ich am Anfang der Sitzung: „Ich bin ziemlich aufgeregt und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!“)

Manchmal beschreiben Männer dann ihren Penis wie ein abgetrenntes Stück mit Eigenleben. Sie sagen: „Er will nicht“- oder „Er macht, was er will“- oder „Es klappt bei mir schon lange nicht mehr“.

Werkzeug oder Freund?

Wie stehen Männer zu ihrem Penis?

Manche Männer haben ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Penis, sind zufrieden mit ihm und vielleicht dankbar für die Lust, die er ihnen schenkt. Andere stehen mit ihrem „besten Stück“ auf Kriegsfuß, reden heimlich auf ihn ein und beschimpfen ihn, wenn er sie im Stich lässt. Vielleicht betrifft das Thema „Penisneid„, das der Psychoanalytiker Sigmund Freud 1908 den Frauen unterstellte, mehr die Männer, die ihren Penis mit den von anderen Männern vergleichen (z.B. mit den gut ausgestatteten Pornodarstellern). Natürlich gibt es Unterschiede im Umfang und in der Größe, aber man muss wissen: im erigierten Zustand nimmt ein kleiner Penis mehr an Größe zu als ein großer. Vermutlich machen sich die meisten Frauen weniger Gedanken über die Größe des Penis ihres Partners als die Männer selber. Oder anders ausgedrückt: Die Ausstattung alleine macht noch keinen guten Liebhaber. So, wie man noch kein Pianist ist, nur weil man ein gutes Klavier im Wohnzimmer stehen hat.

Wie kann Mann seinen Penis lieben und mit ihm eine „wohlwollende Freundschaft“ eingehen? Wie soll das gehen, wenn er ihm die Funktion und den Spaß verweigert? Vielleicht wird jetzt so mancher Mann denken, dass er sein bestes Stück ja lieben würde, WENN es wieder funktioniert! Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es umgekehrt ist: ein Penis, der von seinem Besitzer akzeptiert wird, wird auch wieder „mitspielen“. Der Penis drückt ein Teil von dem aus, was sein Träger fühlt und denkt (auch wenn es ihm vielleicht nicht immer klar oder bewusst ist). Er hat in diesem Sinne kein „Eigenleben“.

Was passiert in der Sexualtherapie?

Die Sexualtherapie ist eine Kombination von Gesprächstherapie und Körpertherapie. Durch Gespräche kann die Einstellung verändert werden. Teilweise bekommt Mann auch Informationen, so dass unrealistische Vorstellungen (wir nennen das auch „Mythen“) relativiert werden. Nicht selten hat z.B. ein Mann, der zwischen 50-60 Jahren ist, noch dieselben Ansprüche an sich wie als 20jähriger.

Der Klient wird dazu angeleitet, wie er besser darauf achten kann, was er beim Sex spürt, um zu verstehen, welche Situation ihm mehr oder weniger Stress bereitet. Z.B. mit der Frage: welcher störende Gedanke kommt typischerweise (z.B. „Wahrscheinlich klappt es gleich wieder nicht“), wann kommt dieser Gedanke genau und welche körperliche Reaktion gibt es darauf?

Ein wichtiger Schritt ist also die Selbstbeobachtung beim Sex und beim Solosex. Erst, wenn ich die (oft unwillkürlichen) Abläufe und Wechselwirkungen verstanden habe, kann ich etwas verändern.

Denn: Körper und Seele gehören zusammen oder anders ausgedrückt: unsere Gefühle beeinflussen unsere Gedanken (Einstellungen) und die wiederherum unseren Körper und natürlich umgekehrt. Und auf jeder dieser Ebenen kann Mann etwas verändern. Die Reise beginnt also mit der Aufmerksamkeit auf das, was Mann beim Sex erlebt.

Es fängt damit an, sich darüber klar zu werden, welche Rahmenbedingungen Sie beim Sex brauchen: Haben Sie lieber morgens oder abends Sex? Dürfen Sie vielleicht vorher keinen Alkohol getrunken oder nicht zu viel gegessen haben? Sind Sie eher jemand, der durch Sex Stress abbauen kann oder können Sie sich bei Stress nicht auf Sex einlassen? Mögen Sie Musik dabei, viel oder wenig Licht usw.

Es gibt also äußerliche Faktoren, aber natürlich auch viele Faktoren, die die eigene Stimmung oder die Atmosphäre zwischen den Partnern betreffen. Auch ist die Frage wichtig, warum Mann überhaupt Sex haben will. Und da gibt es viele Gründe, die von der eigenen Lust bis hin zu der Angst, die Partnerin nicht enttäuschen zu wollen, reichen können oder dem Druck, ein Kind zeugen zu müssen. Vielleicht stellt Mann fest, dass er sich für guten Sex bei seiner Partnerin sicher fühlen möchte, was heißt, dass es keine Katastrophe ist, wenn es mal nicht geht. Zwei meiner Klienten berichten, dass sie Erektionsprobleme bekommen haben, nachdem sie erfahren haben, dass ihre Partnerin wesentlich erfahrener war als sie. Sie haben sich dann selber unter Leistungsdruck gesetzt.

Viele Männer beschäftigen sich mit solchen Themen erst, wenn Probleme auftreten. Als junger Mensch haben sie vielleicht auch nicht immer passend zu ihren Bedürfnissen agiert, aber wenn „es“ oder „er“ trotzdem funktionierte, musste man sich keine Gedanken darüber machen. Durch die Gespräche in der Sexualtherapie werden solche Themen angestoßen und reflektiert. Vielleicht kam der Klient anfangs mit der Erwartung, dass man ihm „schnell Tipps geben wird“ und er merkt dann, dass es ihm guttut, sich umfassender mit sich und seinen Gefühlen zu beschäftigen. Oft stecken hinter den Erektionsproblemen Ängste, z.B. die Angst, verlassen oder ausgelacht zu werden. Ich mache sehr gute Erfahrungen damit, wenn ein Mann anfängt, mit seiner Partnerin darüber zu sprechen, weil dadurch eine neue Nähe und Vertrautheit entstehen kann. (Oft leiden die Partnerinnen nämlich gar nicht so sehr darunter, dass der Sex nicht funktioniert, sondern mehr darunter, dass die Männer jede Form des Körperkontaktes vermeiden und nicht mit ihnen darüber reden).

In der Körpertherapie werden schon in den Sitzungen kleine Achtsamkeitsübungen gemacht und der Klient bekommt Übungen für zu Hause, die ihm bei der Selbstbeobachtung helfen. Für die Selbstbeobachtung ist es am einfachsten, wenn Mann zunächst bei der Masturbation (die Fachleute nennen es auch gerne den „Solosex„) anfängt und anschließend beim Partnersex die Achtsamkeit auf folgende Bereiche legt:

  1. Beckenbewegung
  2. Körperspannung
  3. Atmung
  4. Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt (das Gegenteil sind die störenden Gedanken)

Darauf werde ich in einem späteren Blog noch genauer eingehen. An dieser Stelle sei nur schon einmal erwähnt: die meisten von uns haben ab der Jugend gelernt, sich schnell und effektiv selber zum Orgasmus zu bringen. Unser Gehirn hat so gespeichert, welche Art von Berührung es erregend findet; das Muster ist dann oft sehr eingeschränkt. Es kann zu Problemen führen, weil die Vagina nicht so fest ist, wie eine Hand oder weil die Partnerin den Penis anders anfasst, als dieser es gewöhnt ist. Solche Muster (die jeder Mensch erlernt hat) können über Körperübungen erweitert werden.

Denn die gute Nachricht ist: Sexualität ist ein lebenslanger Lernprozess!

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Brief vom Penis

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Lieber Mann,

ich schreibe dir diesen Brief, um dir mitzuteilen, wie ich mich fühle:

Du setzt mich unter Druck! Ich sehe, dass es dir nicht gut geht, aber trotzdem darfst du das nicht an mir auslassen!

Du beanspruchst mich immer nur dann, wenn es dir gerade passt. Ob ich in diesem Augenblick Zeit oder Lust habe, ist dir egal!

Ich sage dir hiermit ganz deutlich „STOP“!

Ich werde erst wieder zu 100% zu dir stehen, wenn du mit MIR und DIR besser umgehst.

Mein Wunsch ist es, dass wir wieder als Team auftreten und aufeinander Acht geben.

Ich möchte uns beide einfach wieder völlig entspannt sehen.

Und du wirst feststellen, dass es besser wird, wenn du dich entspannst bzw. emotional im Einklang bist.

Ich hoffe, wir können dieses Kapitel bald hinter uns lassen! Dann wird es uns beiden wieder besser gehen!

Liebe Grüße,

dein Penis

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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