Treue ist offensichtlich das, was sich die meisten Menschen in einer Partnerschaft wünschen: nach einer Umfrage des Magazins „Stern“ nämlich ¾ aller Frauen und 2/3  aller Männer. Gleichzeitig geben 43% der befragten Frauen und 51% der befragten Männer an, schon ein- oder mehrmals fremdgegangen zu sein.

Es scheint also einen gewissen Widerspruch zwischen unserem Bedürfnis nach Beständigkeit und Sicherheit zu geben und dem Wunsch nach Abenteuer und Abwechslung. Erwarten wir vielleicht vom Partner/von der Partnerin etwas, was wir selber gar nicht halten können oder wollen?

Ich habe in meiner Praxis für Paar- und Sexualtherapie regelmäßig mit Paaren zu tun, denen Treue sehr wichtig ist – vor allem auch junge Paare, und ich frage mich, ob es immer mehr eine Rückbesinnung auf alte Werte  gibt? Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass die Generation der jungen Menschen die Kinder der „68ger“ Bewegung sind, in der man eine sehr freizügige Sexualität mit schnell wechselnden Beziehungspartnern lebte.

Was hat Treue mit unserer Herkunftsfamilie zu tun?

In unserer  Paarbeziehung werden wir ja immer mit den Themen konfrontiert, die mit unserer Herkunftsfamilie zu tun haben – und wir versuchen als Erwachsene, Unerledigtes aus der Kindheit zu bewältigen (siehe auch mein Blog: „Warum ist es immer so schwierig mit uns- und warum bin ich schon wieder an den Falschen geraten?“).
Gleichzeitig sind wir nirgendwo so verletzbar wie in einer Liebesbeziehung, weil eben die alten Muster und Schutzmechanismen aktiviert werden,  z.B. wenn es um das Thema Vertrauen geht. Natürlich reagiert ein Mensch schneller mit Verlustängsten oder Eifersucht, wenn er/sie in seiner Herkunftsfamilie die leidvolle Erfahrung machen musste, dass die Eltern sich nicht verlässlich verhalten haben, z.B. weil sie sich trennten und ein Elternteil anschließend nur wenig oder gar keinen Kontakt mit den Kindern gehalten hat. Neulich habe ich mit einem jungen Mann gesprochen, der als 12jähriger zufällig eine sms auf dem Handy seines Vaters gelesen hat, die dieser von seiner Geliebten bekam. Er hat es schließlich seiner Mutter erzählt – wir können nur ahnen, wie schwer das für ihn gewesen sein muss. Für ihn steht heute Treue und Monogamie an oberster Stelle.

Natürlich hat die Art und Qualität, wie Eltern miteinander ihre Beziehung leben, eine große Auswirkung auf unser eigenes Beziehungsverhalten, identifizieren wir uns doch mit ihnen und nehmen das, was wir als Kind erleben, als das „Normale“ an. Auch ist das, was die Eltern uns in der Eltern- Kind- Beziehung vermitteln, entscheidend für unsere Bindungsfähigkeit und das eigene Selbstwertgefühl („Bin ich liebenswert? Kann ich einem anderen vertrauen?“)

Was sagt die Natur zur Treue?

Treue ist dem Menschen aber nicht vorgegeben, da die Natur das nicht unbedingt vorsieht. (Es gibt im Tierreich zwar Bespiele für lebenslange Treue – aber das sind Ausnahmen). Demnach haben Männer wohl eher den Trieb, ihren Samen „zu verteilen“, damit sich die Erbmasse mischt, während Frauen ihre Sexualpartner länger prüfen, um sicher zu sein, dass der Nachwuchs gutes, genetisches Material erhält und versorgt wird.

Treue ist also eine kulturelle „Errungenschaft“, die auch häufig religiös oder moralisch begründet wurde – wobei es sicher oft eine Doppelmoral gab oder gibt. Viele Gesellschaften gehen davon aus, dass es für den Bestand einer Gruppe besser ist, wenn die Menschen monogam leben, weil dadurch die Frauen und Kinder mehr abgesichert sind. Deswegen stehen Ehe und Familie auch immer noch unter „dem Schutz des Staates“ (Grundgesetz, Artikel 6)

Auch die Kirche hat sich seit dem Mittelalter für die Monogamie eingesetzt, hat sie doch früher häufig die nichtehelichen Kinder und alleinerziehende Mutter unterstützen müssen.

Sich für eine treue und verbindliche Beziehung zu entscheiden, bedeutet immer ein Verzicht auf intime Begegnungen und sexuelle Kontakte mit anderen Menschen. Es ist auch ein Verzicht darauf, das eigene Selbstwertgefühl durch die Eroberung oder Verführung einer fremden Person zu verbessern oder sich für Kränkungen und Verletzungen durch den Partner zu rächen. In Zeiten, in der jede 3. Ehe geschieden (Quelle: Scheidungsstatistik für Deutschland) wird, befürchten viele, dass auch ihre Partnerschaft schnell auseinander gehen könnte.

Gleichzeitig haben wir heute die Freiheit, uns aus einer Beziehung zu lösen, in der wir nicht glücklich sind. Man spricht in dem Zusammenhang von „serieller Monogamie“ oder dem „Lebensabschnittspartner“. Das bedeutet, dass die meisten Menschen treu sind, solange sie in einer verbindlichen Beziehung leben, aber diese kann auch schnell wieder beendet werden. Liebe wird von manchen als Tausch angesehen, bei dem man sich immer wieder fragt, ob man auch genug zurückbekommt.

Bitte lesen Sie auch meinen anderen Fachartikel dazu: https://paar-fit.de/treue-warum-wir-manchmal-nicht-halten-koennen-was-wir-versprechen/

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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