Die Geschichte von Frauen und ihrer Sexualität ist oft geprägt von Scham und Ablehnung des eigenen Körpers.
Der wilde, ekstatische Sex, den uns die Medien zeigen – wo findet der eigentlich statt? Die Klientinnen, mit denen ich als Sexualtherapeutin spreche, haben andere Themen wie z.B. Beziehungsprobleme. Häufig fühlen sich unattraktiv, nicht gesehen von ihren Partnern, sind erschöpft nach einem vollen Arbeitstag mit Berufstätigkeit und Kinder versorgen – da bleibt manchmal wenig Energie oder Lust auf Sex. Die perfekten virtuellen Körper, die uns als „Vorbilder“ dienen, haben mit dieser Lebenswelt nur wenig zu tun.

Was Frauen und Männer wollen:

Dabei wünschen sich Frauen (und auch Männer!) vor allem, so angenommen zu werden wie sie sind – ohne ständig etwas leisten zu müssen. Es geht ihnen um Nähe, gehalten werden, Verschmelzung – aber manchmal eben auch ohne das „Ziel“ der Sexualität. Männer und Frauen sehnen sich nach „absichtsloser“ Berührung – das ist ein Bedürfnis aus der Kindheit: wir wollen berührt und gehalten werden, ohne dafür etwas versprechen oder gleich zurückgeben zu müssen.

Die Veränderung muss im Kopf beginnen:

Viele – nicht nur Frauen, sondern auch Männer – tun so, als seien sie total aufgeschlossen und offen. Gefühle, die jeder von uns kennt wie Schüchternheit, Unsicherheit, Angst werden dabei außen vorgelassen. Verändern müssen wir nach meiner Meinung zuerst etwas „im Kopf“, z.B. unsere Vorstellung davon, wie wir beim Sex aussehen sollen. Glaubenssätze wie „ich bin hässlich- fett- nicht attraktiv“ usw. müssten über Bord geworfen werden.

Übrigens haben nach meiner Erfahrung in der Paar- und Sexualtherapie auch Männer viele Unsicherheiten, wobei sich diese nicht ganz so oft wie bei Frauen um ihr Äußeres drehen, sondern darum, ob sie „es bringen“, also ob die Erektion ausreicht.

Aber zurück zu den Frauen: Viele beschäftigt die Frage: Was ist normal? Das fängt bei dem Aussehen der Geschlechtsteile an und geht bis zu der Vorstellung, wie (schnell) eine Frau erregt ist und wie (schnell) sie zum Orgasmus kommt. Dabei kommen nur ca. 30 % aller Frauen durch oder während des Geschlechtsverkehrs zum Orgasmus.
Über die Unterscheidung zwischen dem sog. „vaginalen“ und klitoralen Orgasmus habe ich in meinem Fachartikel „der weibliche Orgasmus“ geschrieben.https://paar-fit.de/der-weibliche-orgasmus-und-der-g-punkt/

 

Was hat es auf sich mit dem gemeinsamen Orgasmus?

Deswegen erwähne ich hier nur kurz, dass die Vagina der Geburtskanal ist und die Natur es so eingerichtet hat, dass es hier wenig Nervenzellen gibt (damit die Geburt nicht noch schmerzhafter ist). Der sogenannte vaginale Orgasmus funktioniert nur, wenn die Klitoris bzw. das klitorale Gewebe beteiligt ist. Trotzdem sehen viele Paare den gemeinsamem Orgasmus beim Koitus als das Höchste an oder sogar als ein Beweis dafür, dass man zusammen passt. Den Paaren, bei denen es funktioniert, kann man nur gratulieren – bei den anderen erzeugt es aber das Gefühl, dass sie nicht normal sind, und es nicht „hinbekommen“. (Diesen Leistungsdruck erleben die Männer übrigens genauso wie die Frauen).
Dabei ist für die meisten Frauen „normal“: sie brauchen Zeit für die Erregung und den Orgasmus. Nur ein kleiner Teil der Frauen (man schätzt 5 – 6%) sind in wenigen Minuten erregt und für den Geschlechtsverkehr bereit (also ausreichend feucht).
So hatte ich neulich ein Einzelgespräch mit einer neuen Klientin, die seit 12 Jahren verheiratet ist und sich mit dem Problem der Lustlosigkeit angemeldet. Es stellte sich bald heraus, dass der gesamte Geschlechtsverkehr seit Jahren maximal 5 Minuten dauert, weil ihr Mann unter einem frühzeitigen Samenerguss litt. Das frustrierte ihn derart, dass er sich gar nicht mehr traute, sexuell auf seine Frau zuzugehen, was dazu führte, dass sie gelegentlich die Initiative ergriff, ohne eigentlich Lust zu haben. Sie wollte nur, dass es in ihrer Ehe irgendeine Form der gemeinsamen Sexualität gibt und so entstand ein Teufelskreis.
Druck und Anspannung können natürlich nicht zu Lust und Genuss führen. 90% der Frauen, die von der Berliner Charite´ befragt wurden, haben angegeben, schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht zu haben. (Die meisten tun das übrigens ihrem Partner zu liebe, um ihn zu bestätigen oder nicht zu enttäuschen.)
Wie schon erwähnt: in der Sexualität und auch bei Orgasmusproblemen muss man häufig erst auf der mentalen Ebene „aufräumen“, weil Frauen sich zu sehr mit Fragen beschäftigen wie:
• Bin ich attraktiv/sexy?
• Muss ich das (mit) machen, wenn es meinem Partner gefällt?
• Ist das überhaupt ein Orgasmus, was ich da erlebe (bei anderen Frauen scheint das Gefühl viel stärker zu sein?)

Hinzu kommt:
Viele Frauen schämen sich für ihre Geschlechtsteile. Gerade bei jungen Frauen erlebe ich immer wieder, dass sie keine richtigen Vorstellungen davon haben, wie es „da unten rum“ aussieht. Wir übernehmen häufig diese Scham von unseren Müttern. Vielleicht können Sie an dieser Stelle folgende Frage für sich beantworten:
Wie würde Ihre Mutter folgende Sätze beenden:
„Sex war für mich….“ und
„Meine Vagina ist für mich…“
Die weibliche Scham wird von Generation zu Generation weiter gegeben. Warum heißt es eigentlich „Scham“Lippen und nicht etwa „Lust-Lippen“? Nach einer Befragung sehen (nur) 59% der Frauen ihre Vagina als etwas Positives (aus: Vagina Dialogues, Befragung von 9300 Frauen in 13 Ländern)

Bitte lesen Sie weiter: Frauen und das erste Mal – warum tust Du es?https://paar-fit.de/frauen-und-das-erste-mal-warum-tust-du-es-teil-2/

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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