Zwar sind junge Mädchen heute in der Regel so gut aufgeklärt wie noch nie – aber gleichzeitig sind sie unter einem enormen Druck. Erst die Verbreitung der  Pornografie hat es möglich gemacht, dass junge Mädchen sehr früh die Geschlechtsteile von anderen Frauen sehen – und sich damit vergleichen. Die hohe Anzahl von Schamlippen-“Korrekturen“ sprechen da Bände.

Was macht das Ansehen von Pornos mit Jugendlichen?

Die frühe Konfrontation mit Pornografie (die in der Regel eine Überforderung ist, weil die Jugendlichen sich nicht trauen, mit Erwachsenen über das zu sprechen, was sie irritiert oder sogar schockiert), führt nicht selten dazu, dass junge Mädchen sexuell etwas tun, um es dem Partner recht zu machen, und nicht unbedingt, weil sie selber Lust dazu haben.

Bericht eines jungen Mädchens:

Zitat Lena: „Ich habe eine Freundin, die lässt Dinge mit sich machen, die ihr nicht gefallen, und er macht einfach weiter. Sie lässt es sogar zu, dass er über sie lacht. Jetzt hat sie sich total zurück gezogen. Sie hat kein Interesse an Selbstbefriedigung, hat mit ihm seit Monaten keinen Sex. Sie will nicht mehr reden, sie will nichts mehr probieren, denn das Thema wird immer bedrängender für sie. Dabei ist sie diejenige, von der ich immer dachte, dass sie am meisten Spaß daran hat, weil sie sehr sexy ist. Was da passiert, wenn Du so über Dich hinweg gehst, das ist unglaublich! Aus Angst, als prüde zu gelten oder den Partner zu verlieren, machen viele Mädchen, was ihre Freunde wollen. In der Schule hatten die meisten schon lange vor mir mit einem Mann geschlafen. Das hat mir auch Stress gemacht. Ich glaube, dass wirklich viele Mädchen zu früh anfangen und es dann nicht genießen.“

(Quelle: „Unten rum…Die Scham ist nicht vorbei“ von Claudia Haarmann, S. 107)

Eine Kollegin von mir, die über Donum vitae Sexualkundeunterricht in Schulen mit jungen Mädchen macht, berichtet mir, dass die Jugendlichen sich nach sexuellen Praktiken wie Analverkehr oder Gruppensex erkundigen, oft bevor sie ihr erstes Mal hatten. Dahinter steckt nicht – wie mancher Laie  vielleicht sehen möchte- eine „Frühreife„, sondern in der Regel die bange Frage: „Ist das normal? Muss ich das auch machen?„. Sie haben  Kenntnisse über sexuelle Aktionen aus Pornos oder Videoclips „gelernt“, z.B. wie man eine blow job macht, damit es dem Mann am besten gefällt – aber wollen sie das auch?

Das berühmte „erste Mal“ ist sicher sehr wichtig und prägend für Mädchen!

Die Psychologin Karin Linnander, die seit vielen Jahren in Schulen  mit Mädchen über Sexualität spricht, fragt 12-17jährige Mädchen, welche „guten Gründe“ es für Sex geben kann und welche schlechten. Nach ihrer Erfahrung werden „schlechte Gründe“ sehr durch die Peergruppe (also die Gruppe der Gleichaltrigen) beeinflusst. Hier einige Beispiele, die sie von Mädchen hört:

  • man möchte nicht „die Letzte“ aus der Gruppe sein, die sexuelle Erfahrungen macht
  • zu viel Alkohol in der Situation
  • man möchte nicht den Freund verlieren, der Druck macht
  • man möchte „cool“ sein
  • man möchte sich gegen die Eltern auflehnen

Was wollen die Mädchen und was die Jungs?

Nach ihrem Eindruck gebe es  im Teeni-Alter einen Unterschied zwischen Mädchen und Jungs: die Mädchen suchten vor allem Verbindung, Romantik und Liebe, die Jungs oft Sex; sie wollten sich ausprobieren. Das sollte man nicht moralisch sehen; die Jungs sind nicht „die Bösen“, sondern sind in dem Alter einfach in einer anderen Phase als die Mädchen. Und sie unterliegen natürlich genauso dem Druck ihrer Peergroup, in der offen damit geprahlt wird, wie viel Erfahrung man angeblich schon gemacht hat.

Manchmal werde der Freundin aber auch offen gedroht:  „Wenn Du das nicht willst, dann mach ich Schluss!“ Wenn das Mädchen den Jungen halten will, macht es vielleicht etwas, was das Herz möchte, aber nicht unbedingt der Körper.

Ein anderes Beispiel dafür höre ich von Lehrern und Lehrerinnen: es kommt immer wieder vor, dass ein Mädchen sich von einem Jungen (der sich als ihr Freund bezeichnet) dazu drängen lässt, ein Nacktbild von sich zu machen und ihm zu schicken, woraufhin es dann in der gesamten Klasse die Runde macht. Bemerkenswerter Weise ist dann nicht der Junge am Pranger, der etwas getan hat, was nicht in Ordnung ist, sondern das Mädchen wird verhöhnt und gemobbt!

Mädchen machen sich viele Sorgen wegen ihres Äußeren:

Das Thema „Körper“ ist bei Mädchen sowieso in der Pubertät oft mit Leid verbunden: schon Kleinigkeiten wie Pickel oder 1 kg zu viel Körpergewicht kann das gesamte Selbstwertgefühl zerstören. So habe ich neulich von einem jungen Mann gehört, dass seine wunderschöne Freundin regelmäßig kurzfristig Treffen im Freundeskreis absagt, weil sie sich an dem Abend hässlich findet und dann heulend zu Hause bleibe.

Auch ist mir zu Ohren gekommen, dass junge Männer als Geburtstagsgeschenk von den Gleichaltrigen gerne eine Flasche hochprozentigen Alkohol bekommen wie z.B. Wodka und die Mädchen einen Gutschein über eine Behandlung, um ihre Lippen aufspritzen zu lassen.

Viele Mädchen schämen sich also für ihren Körper, haben (noch) nicht gelernt, darauf zu achten, was sie möchten (oder  auch nicht) und beschäftigen sich mit der Frage, ob sie beim Sex nicht „komisch“ aussehen.

Und was sind nun gute Gründe für  Sex und für das erste Mal?

In erster Linie, dass Frau es will! Und zwar mit einem Menschen, der sie gut behandelt, der verbindlich und verlässlich ist, der sie bestenfalls liebt oder zumindest respektiert und ihre Bedürfnisse berücksichtigt. Nach meinem Eindruck werden frauenfeindliche Sprüche und machohaftes Umgehen mit Frauen aber leider wieder immer mehr „salonfähig“.

In diesem Sinne: Mädchen und Frauen: traut euch, nein zu sagen, wenn ihr etwas nicht wollt! Fragt Euch weniger, was „normal“ ist, sondern was sich für Euch gut anfühlt! Und wenn Euch ein Mann unter Druck setzt, dann ist er bestimmt nicht „der Richtige“ für Euch!

Bitte lesen Sie auch meinen 1. Teil zu diesem Thema: https://paar-fit.de/frauen-und-das-erste-mal-warum-tust-du-es-teil-1/

Und wer noch mehr dazu lesen möchte; hier kommt meine Buchempfehlung: „Unten rum. Die Scham ist nicht vorbei“ von Claudia Haarmann

https://www.amazon.de/Unten-rum-Scham-nicht-vorbei/dp/3936360154/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=3L7D2CDI12R4C&keywords=die+scham+ist+nicht+vorbei&qid=1583412659&sprefix=die+scham+ist+nicht%2Caps%2C178&sr=8-2

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

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