Kitzligkeit und andere Missempfindungen, die beim Sex stören (können)

Sexualität, Sexualtherapie, weibliche Sexualität

Im ersten Teil zu diesem Thema (den Sie hier nachlesen können https://paar-fit.de/mein-penis-und-ich-oder-die-behandlung-von-erektionsstoerungen-in-der-sexualtherapie/), hatte ich beschrieben, dass ein Teil der Sexualtherapie nach dem Konzept, mit dem ich arbeite, aus Übungen besteht, die der Klient zu Hause machen kann, um seine Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu trainieren. Die Selbstbeobachtung ist am einfachsten, wenn Mann zunächst bei der Masturbation anfängt und anschließend beim Partnersex die Achtsamkeit auf folgende Bereiche legt:
1. Beckenbewegung
2. Körperspannung
3. Atmung
4. Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt
(das Gegenteil davon sind die störenden Gedanken)

Die meisten von uns haben ab der Jugend gelernt, sich schnell und effektiv selber zum Orgasmus zu bringen. Unser Gehirn hat so gespeichert, welche Art von Berührung es erregend findet; das Muster ist dann allerdings recht eingeschränkt. Es kann zu Problemen führen, weil die Vagina nicht so fest ist, wie eine Hand oder weil die Partnerin den Penis anders anfasst, als dieser es gewöhnt ist. Solche Muster (die jeder Mensch erlernt hat) können über Körperübungen erweitert und verändert werden.

Denn die gute Nachricht ist: Sexualität ist ein lebenslanger Lernprozess!

zu 1: Beckenbewegung
Das Becken – dein unbekanntes Körperteil?

Nur wenige Männer beschäftigen sich mit ihrem Becken, es sei denn, sie sind z.B. Tänzer. Beckenbodenmuskulatur oder Beckenbodentraining haben sie vielleicht schon einmal gehört, aber meist von ihren Partnerinnen, die sich als Vorbereitung auf die Geburt und in der Rückbildungsgymnastik damit beschäftigt haben.
Machen wir uns folgendes klar: das Becken ist die Heimat des Penis! Der „hängt da nämlich nicht dran“, sondern sitzt „drin“. Beckenbodenmuskulatur hat also viel mit der Erektion zu tun.
Der Beckenboden besitzt 3 Muskelschichten, die enorm wichtig sind, damit unsere Organe nicht „herunterfallen“. Für das Erspüren der Beckenbodenmuskulatur brauchen wir die Unterscheidung von Anspannung UND Entspannung. Viele Männer haben tendenziell eher zu viel Muskelspannung und tun sich mit dem Loslassen schwer, vielleicht, weil sie mehr in Richtung Leistung und Durchhalten erzogen wurden?
Die spannende Frage ist: Wie bewegt sich dein Becken bei der Selbstbefriedigung? Vermutlich werden nun die meisten Männer denken: „Wie – Becken? Ich bewege nur meine Hand!“ Wahrscheinlich wird noch – meist kurz vor oder während des Orgasmus- die Gesäßmuskulatur angespannt.
Der Körper lernt durch jahrelange und häufige Wiederholungen! Meist fangen Jungen in der Pubertät mit dem Solosex an und auch, wenn sie später in einer Partnerschaft leben, haben Männer doch im Laufe ihres Lebens sehr wahrscheinlich mehr Sex mit sich als mit einer Partnerin. Die meisten Männer wissen, wie sie sich schnell zum Orgasmus bringen können und das merkt sich das Gehirn. Eine Beckenbewegung ist oft nicht dabei (könnte dann aber eventuell das Gehirn irritieren, wenn sie beim Partnersex dazu kommt).
Apropos Partnersex? Ist die Beckenbewegung eher ein Stoßen (vor- und zurück), ein Schaukeln (auf und ab) oder ein Kreisen (hin- und her)? Und wie stark sind die Bewegungen? Wie schnell, wie ist der Rhythmus?

Übung: Probieren Sie es aus: wie fühlt es sich an, wenn Sie nicht die Hand, sondern das Becken bewegen? Welche Beckenbewegungen sind Ihnen vertraut? Und welche fühlen sich erstmal ganz ungewohnt an? Wie ist der Rhythmus/die Geschwindigkeit Ihrer Bewegungen?

zu 2: Körperspannung

Wie beim Sport, ist auch beim Sex eine Kombination von An- und Entspannung wichtig. Eine durchgängige und zu hohe Muskelanspannung signalisiert dem Gehirn: Gefahr! Hier gilt für den Körper dasselbe wie für die Beckenbodenmuskulatur. Kleine Erinnerung: Wichtig beim Erspüren der Muskulatur ist das Gefühl für Anspannung UND Entspannung. Für den Orgasmus brauchen wir eine (kurze Zeit lang) hohe Muskelanspannung. Wenn diese aber zu lange und zu hoch ist, wird es zu anstrengend. Dann sagt das Gehirn „Gefahr“ und Sie verlieren die Erektion oder Sie bekommen sehr schnell Ihren Orgasmus, weil Gefahr und Erregung für unser Gehirn nicht zusammenpassen. Niemand kann nämlich eine Erektion gebrauchen, wenn er um sein Leben kämpfen muss.

Übung: Achten Sie darauf, wie hoch die Körperspannung bei der Masturbation ist. Ist sie die ganze Zeit über hoch? Wenn ja, was passiert, wenn Sie zwischendurch loslassen? Was macht das mit Ihrer Erregung? Mit Ihrer Erektion? Was genau spannen Sie an? Den Beckenboden? Die Gesäßmuskulatur? Die Oberschenkel? Oder alles gleichzeitig? Oder sogar den gesamten Körper?

Zu 3: Atmung

Die Atmung beeinflusst unsere Gefühle! Atmen wir flach, schnell und oberflächlich, signalisieren wir unserem Gehirn ebenfalls: Gefahr!
Wie atmet Mann bei der Selbstbefriedigung? Vermutlich nicht in allen Phasen gleich – es gibt wahrscheinlich Unterschiede, ob Mann erst anfängt oder kurz vor dem Orgasmus ist. Und wie ist es beim Partnersex? Atmet Mann in den Bauch oder in die Brust? Oder beides?

Übung: Achten Sie auf Ihre Atmung während der Masturbation – und verändern Sie sie. Atmen Sie- auch wenn Sie sehr erregt sind, tief ein und aus und achten Sie darauf, was sich dadurch verändert. Besonders wichtig ist dabei eine tiefe Ausatmung, wenn Sie die Erektion länger halten wollen.

Zu 4: Aufmerksamkeit

Wo ist Mann beim Sex mit seinen Gedanken? Männer, die z.B. Erektionsstörungen haben, berichten mir, dass sie vor allem daran denken, ob „es diesmal hoffentlich klappt“. Genau genommen üben sie sich schon in einer „perfekten“ selbsterfüllenden Prophezeiung, indem sie sich sagen, dass „es bestimmt wieder nicht klappt.“ Damit sind sie natürlich sehr weit weg von ihrem Genuss und dem Spüren. Denn diese Gedanken signalisieren dem Gehirn? Richtig- Sie kennen jetzt schon die Antwort: Gefahr! Und bei Gefahr reagiert der älteste Teil unseres Gehirns (wir nennen es auch das Reptiliengehirn) mit 2 Überlebensstrategien: Kämpfen oder flüchten! Dabei wird das System auf das Überlebensnotwendige zurück gefahren – wozu nun einmal bestimmt keine Erektion gehört! Übrigens ist dieser Teufelskreis bei den Männern, die zu früh kommen, genau derselbe!
Wo ist also Ihre Aufmerksamkeit beim Sex? Vielleicht beim letzten Mal (wo es nicht funktioniert hat)? Oder bei der Lust der Partnerin (für die Mann es diesmal besonders gut machen will)? Oder bei der eigenen Lust? (Darf Mann das eigentlich- oder ist das egoistisch und machomäßig?). Oder gar bei Dingen, die Mann nicht mag- und kann oder darf er es der Partnerin sagen?

Übung: Achten Sie darauf, wohin Ihre Gedanken bei der Masturbation gehen. Sind es Gedanken, die Ihre Lust steigern – oder sind es eher störende Gedanken? Wenn das erste der Fall ist, könnten Sie diese Gedanken auch beim Partnersex zu Hilfe holen. Wenn störende Gedanken kommen – versuchen Sie, Ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ihre Lust im Hier und Jetzt zu lenken. Vielleicht mit der Frage: was brauche ich jetzt? Wie kann ich mir mehr Lust machen?

Die hier beschriebenen Ideen und Übungen stammen aus der Theorie des Sexocorporels, wo man davon ausgeht, dass Körper und Geist eine Einheit bilden. Alte Muster, die zu einem Sexualproblem geführt haben, können durch Einüben und Trainieren von neuen Erfahrungen verändert werden, so, wie wir allesmögliche auch im Alter immer wieder dazu lernen können. Allerdings braucht es dafür viele Wiederholungen und Geduld! So, wie wir auch im Alter nicht „einfach so“ ein Instrument oder eine neue Sportart erlernen.

Wenn es Ihnen jetzt viel erscheint, worauf Sie bei der Masturbation oder beim Partnersex achten sollen (und das Gleiche gilt ja genau so für die Partnerin!), dann können Sie sich vielleicht an die Abkürzung TRAB erinnern. Das sind die Abkürzungen für:

Tonus (Körperspannung)
Rhythmus (vom Becken)
Atmung
Bewegungsraum (körperliche des Beckens und des Oberkörpers, aber auch mental, also der Gedanken und der Aufmerksamkeit)

Am Ende sei kurz gesagt: für all die Männer, die Ihre Erektion verlängern und Ihren Orgasmus besser steuern lernen wollen: je langsamer der Rhythmus ihrer Bewegungen ist und je niedriger die Körperanspannung, desto besser können Sie Ihren Orgasmus kontrollieren!

Und ein Thema bei Erektionsstörungen kann auch ein zu exzessiver Konsum von Pornographie und einhergehender Masturbation sein, weil das zu einer Herabsetzung der Reizschwelle führen kann. Dies können Sie in meinen Artikeln über Pornosucht nachlesen.

Kitzeln – das klingt erst einmal richtig nach Spaß, oder? Man stellt sich sofort Eltern vor, die ihre Kinder liebevoll kitzeln und diese lachen laut. Oder Jugendliche, die sich im Freibad kitzeln, um so einen langersehnten Körperkontakt herzustellen.

Aber vielleicht hat auch nicht jeder nur positive Vorstellungen von Kitzeln. Vielleicht erinnern Sie sich auch an Situationen, wo Sie – gegen Ihren Willen- festgehalten und gekitzelt wurden, obwohl sie das überhaupt nicht wollten? Und vielleicht haben Sie sich völlig hilflos gefühlt, hätten am liebsten „Hör sofort auf“ geschrien und konnten es nicht, weil sie – auch wieder gegen Ihren Willen- so lachen mussten, dass Sie kaum Luft bekamen. Oder sogar Angst hatten, in die Hose zu machen.

Kann Kitzligkeit auch ein Problem sein?

In meiner Praxis für Paar-und Sexualtherapie habe ich immer wieder mit KlientInnen zu tun, die so kitzlig sind, dass  der Partner sie kaum berühren kann, ohne dass sie verspannen und seine Hand wegschieben. (Sicherlich gibt es auch Männer, die von diesem Thema betroffen sind. Ich habe es bisher jedoch nur bei Frauen gesehen; deswegen wähle ich hier bewusst die weibliche Schreibweise, wobei auch betroffene Männer sich angesprochen fühlen können. Auch meine ich nicht nur heterosexuelle Paare).

 Natürlich kennen die Partner im Laufe der Zeit die kritischen Stellen (häufig sind es die Hüften, aber auch die Innenseite der Oberschenkel oder die Brüste) und fassen sie deswegen gar nicht mehr an, so dass es beim Sex regelrechte Tabuzonen gibt. Und wenn der Mann im „Eifer des Gefechts“ dann doch mal eine solche Stelle berührt, reagiert die Frau darauf höchst genervt.

Natürlich sollte man auf die Vorlieben des Partners Rücksicht nehmen, aber ich habe in meinen Paartherapien schon erlebt, dass der Mann NIE die Brüste seiner Partnerin berühren durften oder die Frau die Beine zusammen presst, wenn er ihre Oberschenkel anfassen möchte. Und die Betroffenen sind natürlich beim Sex alles andere als entspannt, können die Zärtlichkeiten oft nicht genießen, weil sie das Gefühl haben, jederzeit aufpassen zu müssen, ob es nicht wieder unangenehm wird.

Sicher: bei vielen Menschen sind Füße und Achselhöhlen kitzlig. Früher hat es die Lebenschancen erhöht, wenn ein Mensch schnell merkte, ob er von einem Tier oder einem Gegenstand berührt wurde, denkt man nur z.B. an giftige Schlangen oder Insekten. Das Gehirn unterscheidet zwischen Berührungen von außen und von uns selber. Wir können uns deswegen auch nicht selber kitzeln!  Äußerlich erzeugte Stimuli werden als stärker erlebte als selbst erzeugte; wir können uns ja auch nicht selber mit einer Berührung überraschen.

Bereits Charles Darwin hatte 1872 erkannt, dass es zu Kitzligkeit kommt, wenn jemand nicht weiß, wann eine Berührung erfolgt und wenn er das Gefühl hat, darauf keinen Einfluss zu haben. Auch Affen und Ratten sind übrigens kitzlig!

Wie oben beschrieben, kann derselbe Reiz als lustvoll oder als quälend erlebt werden; natürlich auch abhängig davon, wer ihn ausführt. Wir geben einer Berührung unsere Bedeutung: kitzelt uns der geliebte Partner, werden wir es höchstwahrscheinlich als angenehm erleben, wohingegen z.B. das Kitzeln des Nachbarn, den wir nicht mögen, als aufdringlich bewertet wird. Kitzeln kann auch als ein Ausdruck von Macht oder sogar Sadismus eingesetzt werden.

Im Mittelalter wurde das Kitzeln übrigens als Foltermethode eingesetzt: entweder wurde jemand barfuß festgebunden und die Schaulustigen konnten ihn mit Federn an den Füßen kitzeln oder man rieb ihm die Fußsohlen mit Salz ein und ließ sie von Ziegen ablecken.

Sicher gibt es auch Menschen, die ihre Kitzligkeit lieben bzw. sie sogar als lustvoll empfingen; die haben natürlich gar keinen Anlass, diesbezüglich etwas verändern zu müssen.

Was kann da helfen?

Für die anderen, die unter ihrer Kitzligkeit leiden, sei gesagt: man kann sie überwinden! Und häufig tritt danach ein größerer Genuss und ein stärkeres sexuelles Verlangen zutage. Und es kann sich dadurch auch in der Paardynamik etwas ändern, weil man wegkommt von „Nie darf ich dich anfassen- das ist doch nicht normal“ und „Immer wieder versuchst Du es, obwohl Du doch genau weißt, dass ich das nicht leiden kann – das ist egoistisch!“. Wenn diese inneren oder äußeren Vorwürfe wegfallen, dann kann jeder bei Berührungen wieder versuchen, mehr bei sich bleiben.

Schon in Tierversuchen konnte man nachweisen, dass Kitzeln nur dann als angenehm erlebt wird, wenn keine Angst da ist. Da Kitzligkeit auch immer etwas mit einem Kontrollverlust zu tun hat, können wir es nur dann genießen, wenn wir wenig ängstlich sind. Kitzlige Menschen haben meist das Bedürfnis, die Kontrolle über sich zu behalten.

Kitzligkeit hat manchmal mit Ängsten, teilweise auch mit schlechten Erfahrungen in der Kindheit zu tun!

Menschen, die so aufgewachsen sind, dass sie ihre Umgebung ständig beobachten mussten, um das Auftauchen von Problemen bei den Bezugspersonen so früh wie möglich zu erkennen, merken oft gar nicht, dass sie ängstlich sind, weil sie ihren Zustand der Anspannung für normal halten.

Besonders betroffen davon sind traumatisierte Menschen, die in ihrer Kindheit emotionale und/oder sexuelle Übergriffe erleben mussten; bei ihnen kommt es zu einer Störung der Synapsenverbindung zwischen der rechten und der linken Gehirnhälfte. Insbesondere die Regionen, die für die Verarbeitung von Emotionen eine Rolle spielen, sind eingeschränkt. Das kann dazu führen, dass einerseits Dinge übersehen und andererseits Dinge falsch miteinander verknüpft wurden  in Bezug auf Assoziationen. Kitzligkeit kann (unbewusst) also auch vor unerwünschten Berührungen schützen.

Wie kann man das nun überwinden und dem Gehirn die Möglichkeit geben, neue (bessere) Erfahrungen zu machen?

In der Paar-und Sexualtherapie arbeite ich gerne mit Körper- und Streichelübungen, weil es nach meiner Erfahrung nicht ausreicht, die Zusammenhänge nur zu verstehen; sie müssen auch körperlich gespürt und neu verarbeitet werden.
Wenn ein Mensch kitzlig ist, so hat sich das natürlich über Jahre ins Gedächtnis eingebrannt. Manchmal muss er noch nicht einmal angefasst werden, sondern die bloße Erwartung reicht aus nach dem Motto: „Jedes Mal, wenn jemand meinen Bauch anfasst, ist das unangenehm!“ Dementsprechend wird er vorher die Muskeln anspannen und die Atmung wird flach und eventuell auch schneller sein, was dazu führt, dass das Gewebe nicht gut durchblutet ist. Das alles signalisiert dem Gehirn: Gefahr! Und das wiederum sagt dem Körper, dass er sich für eine Kampf -oder Fluchtsituation bereit halten soll (in der auch  noch so gut gemeinte Berührungen nicht als angenehm empfunden werden können).

vergl. auch: https://paar-fit.de/schmerzen-beim-sex-oder-scheidenkrampf-vaginismus/

Folgende Partnerübungen können Ihnen helfen:

Wenn Ihr Partner Ihnen dabei helfen will, Ihre Kitzligkeit zu überwinden (und vermutlich wird er auch ein eigenes Interesse daran haben), dann sollten Sie sich zu Streichelübungen verabreden. Der Kitzlige sollte bei diesen Übungen unbedingt das Gefühl bekommen, dass er die Kontrolle hat bzw. zurück erlangt. Deswegen sollte der andere zunächst nur vorhersehbare und systematische Berührungen ausführen und ruhig und vor allem langsam streicheln. Fangen Sie unbedingt mit den unverfänglichen Körperstellen an wie z.B. Rücken oder Arme. Der Aktive oder „Gebende“ stellt sich dabei ganz auf den anderen ein; es muss ein „absichtsloses“ Streicheln bleiben (also kein Vorspiel).

Wenn sich die kitzlige Person entspannt hat, können Sie vorsichtig versuchen, die heiklen Körperstellen zu berühren. Am Besten machen Sie das nur mit einer Hand (auf die der andere sich konzentrieren kann). Sie können es auch ankündigen: „Ist es o.k.- ich lege meine Hand jetzt auf deinen Bauch?“. Es hilft auch, wenn die Hand zunächst nur liegen bleibt und der andere die Gelegenheit hat, sich durch langsames und tiefes Atmen zu beruhigen. Festere Berührungen sind übrigens in der Regel weniger kitzlig als leichte.

Damit der Kitzlige das Gefühl der Kontrolle hat, sollten Sie vorher ein Stoppzeichen vereinbaren: wenn das genannt wird, muss der andere sofort und ohne Diskussion (oder Beleidigtsein) mit der Berührung aufhören! Meist reicht es nach meiner Erfahrung schon aus, dieses Vetorecht ein oder zweimal ausprobiert zu haben; danach wird es überflüssig.

Wenn jemand trotzdem noch sehr kitzlig reagiert, kann es helfen, wenn er seine Hände auf die des Partners legt und „führt“. Oder wenn er sich – auf dem Rücken liegend- etwas aufsetzt, so dass er die Hände des Gebenden sehen kann. Anders gesagt: der Kitzlige darf (vorübergehend) alles tun, was ihm die Situation erleichtert und was auf Dauer zu einer Desensibilisierung führt.

(Sollte es sich bei Ihnen um eine Traumatisierung handeln und Sie an unangenehme Situationen aus der Vergangenheit erinnert werden, machen Sie sich klar, wer Sie anfasst! Manchmal hilft es auch, wenn der Partner Sie mit Namen anspricht oder Sie ihn ansprechen, damit Sie die Gegenwart von der Vergangenheit unterscheiden können.)

Wenn es nicht geht – machen Sie eine Pause! Meist reichen wenige Minuten, um sich neu zu orientieren, und dann können Sie die Übung wieder fortführen, wenn Sie wieder ruhig sind. Viele Traumatisierte haben in der Vergangenheit gelernt sich zu schützen, indem sie ihr  Empfinden von ihrem Körper abgetrennt haben; sie ziehen sich komplett in sich zurück. Der andere wird quasi ausgeblendet bzw. ausgeschlossen. Das hat vielleicht auch früher in den traumaischen Situationen geholfen, führt aber beim Sex zu Missempfindungen oder dem Gefühl von Leere und Lustlosigkeit und der Kontakt zum Partner geht dabei verloren. (Neulich beschrieb mir eine Klientin bei der Streichelübung, sie hatte- als ihr Mann sie berührte- das Gefühl, „das da nur Hände sind“.

Üben Sie jedes Mal 10-20 Minuten. Wenn es Ihnen gelingt, festere Berührungen als angenehm zu erleben, dann hat Ihr Gehirn etwas Neues gelernt! Im nächsten Schritt können Sie dann Ihren Partner bitten, nach und nach sanftere Berührungen auszuführen.

Wenn ein Partner verspannt, sobald seine Genitalien berührt werden, kann der andere erst einmal nur die Hand auf die Vulva bzw. den Penis legen. (Diese Berührung nennt der amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch „Hand über Scham“.) Er muss die Sicherheit haben, dass der andere nur dann weitermacht, wenn er es will (und vielleicht braucht es dafür 10- 20 Wiederholungen), denn ansonsten würde das Gehirn wieder in den Alarmzustand gehen, und es ist mit der Verspannung vorbei.

Zu einer Verschlimmerung des Phänomens führen todsicher 2 Wege: zum einen Berührungen, die man unangenehm findet und die man lange und mit zusammen gebissenen Zähnen über sich ergehen lässt und zum anderen, sämtliche Berührungen, die in diese Richtung gehen, komplett zu vermeiden. (Eine Fahrstuhlangst hat ja auch noch keiner durch Treppensteigen überwunden). Bei beiden Reaktionen hat man eher das Gefühl, gegen den Partner zu kämpfen und nicht selten mündet das darin, dass die Paare irgendwann gar keinen Sex mehr haben.

Durch die gemeinsame Überwindung der Kitzligkeit, können sich übrigens beide Partner weiter entwickeln und die Verbundenheit kann sich vertiefen. Probieren Sie es aus!

Weiterlesen: https://paar-fit.de/warum-eine-achtsame-beruehrung-fuer-die-erotische-kompetenz-wichtig-ist/

Petra Schmitz-Blankertz

Petra Schmitz-Blankertz

Paar- und Sexualtherapeutin, Suchttherapeutin, Diplom-Sozialarbeiterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie

Andere Artikeln zu diesem Thema: